Bist du beschränkt, dass neues Wort dich stört,
Willst du nur hören was du schon gehört?
(Mephistopheles zu Faust, im Faust 2)
Die DPG-Aktion gegen den Karlsruher Physikkurs
Die DPG macht eine furchtbare Entdeckung: Es gibt einen Physikkurs, der alte, bewährte Lehrtraditionen in Frage stellt; der behauptet, die Physik könne verständlicher und kürzer gelehrt werden und der Physikunterricht könne weniger frustrierend sein. Den Vertretern der reinen Lehre wird bewusst, dass der Krankheitsherd schon über 20 Jahre existiert und dass sich zahlreiche Metastasen entwickelt haben. Die ihrer Meinung nach für die Verteidigung der etablierten Lehrtradition zuständige Institution, der Fachverband Didaktik der Physik innerhalb der DPG, hat versagt: Der FV Didaktik hat es versäumt, den DPG-Vorstand zu „alarmieren“.
Der DPG-Vorstand setzt eine Kommission ein, die die Aufgabe hat, Fehler im KPK zu suchen. Wenn man dem Kurs Fehler nachweisen könnte, wäre er am leichtesten zu erledigen. Damit die Sache reibungslos ablaufen kann, ernennen sich gleich drei Vorstandsmitglieder selbst zu Kommissionsmitgliedern und für den Fall, dass jemand auf die Idee kommen sollte, einen Ombudsmann anzurufen, wird auch einer der Ombudsleute zum Kommissionsmitglied gemacht.
Was die Fehler im KPK betrifft, so wird die Kommission fündig. So glaubt sie wenigstens; und der Vorstand der DPG glaubt der Kommission. Dabei haben es die „Gutachter“ mit der naturwissenschaftlichen Strenge nicht allzu genau genommen; aber da die Sache eilt, darf man sich nicht verzetteln.
Dass es in der Natur keine Impulsströme gibt, kann man ruhig mal sagen – da weiß sowieso niemand Bescheid. Dass man die Begriffe magnetische Ladung und magnetisch geladenes Teilchen nicht unterscheidet, fällt hoffentlich nicht weiter auf. Dass man zwischen der umgangssprachlichen und der physikalischen Benutzung eines Wortes nicht unterscheidet? Man darf bei einer so wichtigen Angelegenheit nicht zu pingelig sein.
Als die Reaktionen auf die erste Fassung der DPG-Stellungnahme nicht so ausfallen, wie es sich die Autoren vorgestellt hatten, schieben sie ein etwas längeres Traktat nach. Dass es etwas verworren ist, mag wieder daran gelegen haben, dass man nicht viel Zeit hatte. Auch zum Studium der Literatur blieb keine Zeit.
Welche Annahme ist erschreckender:
1. Die Kollegen haben den KPK nicht gelesen.
2. Die Kollegen haben den KPK gelesen, aber nicht verstanden.
Die DPG hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Welt vom KPK zu befreien. Dabei genügte es nicht, dafür zu sorgen, dass das Buch vom Markt verschwindet. Die KPK-Ideen hatten sich schon verselbstständigt; man trifft sie an in Studienseminaren, in Vorlesungen an Universitäten, in Lehrplänen, und noch schlimmer: im Ausland – nicht nur im europäischen, sondern auch in Amerika und in China.
Dank ihrer umfassenden Arbeit kann die DPG Erfolge verzeichnen: Dass der AULIS-Verlag knapp zwei Monate nach Erscheinen des DPG-Verdikts seine Zusammenarbeit mit mir aufkündigt, hat aber, so der Verlag, nichts mit der DPG zu tun.
Es stellt sich aber auch ein unerwarteter Nebeneffekt ein: Die DPG-Aktion ist eine optimale Werbekampagne für den KPK. Hierfür bin ich dem Vorstand der DPG dankbar.
Ich stelle im Folgenden einiges Material zu dem von der DPG initiierten Prozess zusammen.
Friedrich Herrmann